Irgendwie bin ich wieder bei „Niedrigkeit seiner Magd“ (Lukas 1,48) Als ich mich das erste Mal damit auseinandersetzte, schrieb ich, dass Ταπείνωσιϛ – tapeinosis mit der Bedeutung von „Demütigung, Niedrigkeit oder Demut“ im Original steht.
Doch wer erniedrigte Maria? Für die Kirchenfürsten ist es ganz klar: Sie war es selbst! Sie hat sich selbst unter Gottes Hand erniedrigt und, wie bequem, unter Josef und damit unter allen anderen Männern gleich mit! Und Paulus sei Dank, gibt es eine Bibelstelle, die belegt, dass Frauen nicht predigen dürfen und deswegen dürfen Frauen jahrhundertelang unterdrückt werden!
Wovon träumt ihr nachts?
Wer erniedrigte Maria? Waren es die Römer? Ja, die Römer waren die Eroberer. Matthäus 5, Verse 39 und 40 deuten an, dass die Juden nicht allzu viele Rechte hatten. Doch hätte dann Maria nicht allgemein gesprochen und nicht nur von sich selbst? War es Josef? Er ahnte zu diesem Zeitpunkt nicht, dass sie schwanger war. Die jüdische Gemeinde? Schon eher. Maria wusste, womit Ehebruch bestraft wurde. Wer jetzt glaubt, die Ungerechtigkeit in Johannes 8, 2 bis 11 – immerhin wird nur die Frau ergriffen, nicht der Mann, sei überholt, der irrt: Bis heute werden die alleinerziehenden Mütter angeklagt, wenn dem Kind etwas zustößt. War der Vater „clever“ genug und hat, oft ohne Unterhalt zu zahlen, sich abgesetzt, sitzt nur die Frau auf der Anklagebank!
D. h. Maria war sich sicher ihrer Unterlegenheit bewusst. Ob sie diese demütig annahm, steht nirgendwo!
Wir erniedrigen Maria! Da, wo wir es zulassen, dass Frauen als Druckmittel im Krieg vergewaltigt werden, es hinnehmen, dass Frauen im Iran hingerichtet und in Afghanistan hungern, weil sie nicht arbeiten dürfen, da, wo Mädchen abgetrieben werden, weil sie Mädchen sind, da, wo Krankenschwestern angegrabbscht werden und der Chef nur sagt „Lass ihm den Spaß!“, da, wo immer wieder Frauen gesagt wird, dass sie sich nicht so aufreizend anziehen sollen und sie selber Schuld seien, wenn sie angegriffen werden und dabei sitzen Frauen, die diese widerlichen Stammtischsprüche auch noch abnicken (und nebenbei: Die Outfits, die Frauen trugen, als sie vergewaltigt wurden, sind in der Regel unsexy und blickdicht!), da, wo Mädchen nicht in die Schule gehen dürfen, sie minderjährig an alte Männer zwangsverheiratet werden und/oder beschnitten werden, da, wo immer noch weibliche Dummies nur auf den Beifahrersitz gepackt werden und diese sich nur von den männlichen unterscheiden, dass sie kleiner sind, da, wo, Medizinstudenten nicht die Symptome eines weiblichen Herzinfarktes lernen, da, wo Frauen Karrierechancen verbaut werden, mit fadenscheinigen Begründungen, da und noch in vielen anderen Situationen, wird Maria erniedrigt! Ich muss diese Aufzählung abbrechen, ich werde sonst wütend!
Ich glaube an das Gericht vor dem Richterstuhl Gottes und ich gehöre zu denen, die es nach Gerechtigkeit hungert. Ich nehme Matthäus 5,6 als Verheißung, ich werde an Gerechtigkeit satt werden! Mich tröstet der Gedanke, dass all die engstirnigen, kleinlichen, sexistischen Menschen, einmal Antwort geben müssen!
All diese Ungerechtigkeit, die im wahrsten Sinne des Wortes zum Himmel schreit, findet sich in Lukas 1, 48! Wer glaubt, aus diesem Vers eine demütige Maria schnitzen zu können, die das alles hinnimmt, hat nicht zu Ende gelesen: “… denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen.“ (Lukas 1, 48 – Hervorhebung von der Verfasserin) Gott sieht es! Er sieht jede Erniedrigung! Er sieht die faulen Tricks, die fadenscheinigen Argumente, das Bestehen auf sogenannte Traditionen und das mundtot-machen, wenn Unterdrückte nicht schweigen wollen. ER sieht es!
„Ein Gott, der mich sieht!“ (1. Mose 16, 13) ist nicht nur eine schöne Jahreslosung, sondern auch eine Warnung! Die Unterdrückten, Unterschätzten, Übersehenen und die Schwachen haben einen starken Gott an ihrer Seite!
Amen.