Seit letzter Woche leben wir in der Fastenzeit. In den sozialen Medien gibt es Texte dazu, von Kirchen, von christlichen Organisationen und von kirchenfremden Privatpersonen. Gefühlt alle fasten! Sie verzichten auf ebendiese soziale Medien, Kaffee, Süßigkeiten, reden dabei von Verzicht, von Entschlackung und Dankbarkeit. Richtig genervt hat mich eine Aussage, die sinngemäß lautete „Es ist gut, Hunger zu spüren. Das fördert die Dankbarkeit!“ – Der Satz macht mich wütend, traurig und ratlos zugleich! Er postuliert, dass wir das Elend dieser Welt erst am eigenen Leib erleben müssen, um zu verstehen, dass es uns gut geht! – Wann hat das angefangen? Es klingt für mich nach der Suche nach dem nächsten Kick. Als Gesellschaft ist uns langweilig. Weil Extremsportarten nicht mehr so cool sind, üben wir jetzt den Verzicht. Der ist gesellschaftlich anerkannt. So hört sich das zumindest für mich an!
Ich kann nicht gut fasten! Ich habe es mehrfach für je einen Tag ausprobiert und nur getrunken. An diesen Tagen habe ich nicht wie geplant in der Bibel gelesen, sondern mich abgelenkt. Das Fasten hat bei mir ein negatives Gottesbild verstärkt: Gott, der Spielverderber! Der strenge Gott, der mir das Essen verbietet und mich nicht mag, wenn ich nicht durchhalte!
Seit einiger Zeit kommt meine aufmüpfige Seite immer mehr bei mir durch. Wenn ich Posts oder Kommentare lese oder mir beim echtem Gespräch vollmundig erklärt wird, dass etwas nur dann richtig ist, wenn man es so wie der Redner macht, dann bin ich schnell auf Krawall gebürstet. Wenn dann noch alle anderen applaudieren, mutiere ich zur Schildmaid!
Doch bei allem Kampfesmut, möchte ich erklären, warum ich das Schwert ziehe: Ich finde für dieses österliche Fasten keine Bibelstellen. Es ist lediglich in der katholischen Liturgie begründet. Als Protestantin ( Jawohl! Ich bin eine Protest-Tante!) berufe ich mich auf Luther „Solo scriptura!“ – Allein durch die Schrift! Ja, die Altvorderen ehren ist eine gute Idee! Ich weiß so manches Ritual in der katholischen Kirche zu schätzen.
Aber es gilt zu hinterfragen, ob Altes wirklich immer gut ist oder nicht doch überlebt. Eine Liturgie kann ein gutes Geländer sein. Wenn sie mich aber dazu bringt, dass ich anfange vor Gott zu flüchten, weil er ja angeblich die Spaßbremse ist, dann wird das Geländer zum Gefängnis!
Es gibt eine Bibelstelle zum Thema Fasten, die mir beim Nachdenken drüber einfiel: „Das ist aber ein Fasten, das ich erwähle: Lass los, welche du mit Unrecht gebunden hast; lass ledig, welche du beschwerst; gib frei, welche du drängst; reiß weg allerlei Last; brich dem Hungrigen dein Brot, und die, so im Elend sind, führe ins Haus; so du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht von deinem Fleisch.“ (Jesaja 58,6+7)
So habe ich meine eigenen Fastenregeln aufgestellt. Statt „Sieben Wochen ohne“, habe ich sie „Sieben Wochen mehr“ genannt:
- mehr Mut
- mehr Zivilcourage
- mehr mich einsetzen für andere (z. B. lokalpolitisch)
- mehr ermutigen
- mehr für mich sorgen – und, last but not least:
- mehr lieben
Ich weiß nicht, was ich zu Ostern davon umgesetzt habe. Ich probiere es aus und werde mich nicht verurteilen, wenn ich es nicht so gut hinkriege. Für mich ist es der Weg, durch den ich mit dem Thema Fasten gut umgehen kann.
Amen.