(Habe ich Euch schon meine Geschichte von Tüpfelchen, dem Marienkäfer erzählt? Nein? Dan wird es aber Tied! Aber Achtung: Diese Geschichte ist nur für Kinder und kindgebliebene Erwachsene. Erwachsene Erwachsene werden daran keine Freude haben!)
Tüpfelchen saß auf einem Blatt und duckte sich. „Platsch“ machte es und wieder „platsch“. Dicke Regentropfen tropften vom Himmel und Tüpfelchen duckte sich. Sie wollte nicht nass werden und schon gar nicht sollten ihre schönen roten Flügel mit den schwarzen Punkten nass werden. Denn wenn das geschah, musste sie lange warten bis die Sonne die Flügel getrocknet hätte und dann würde sie die Flugschau verpassen. Die anderen Marienkäfer und sie würden als Erste auftreten. Erst große Kreise, dann Achten und zum Schluss würden sie alle so schnell fliegen, dass es so aussah, als würde ein roter Kreis in der Luft schweben. Sie hatten lange dafür geübt. Das würden selbst die bunten Schmetterlinge nicht überbieten können. Soviel war sicher! Tüpfelchen lächelte voller Vorfreude. Da passierte es. Mit einem besonders großen „Platsch“ fiel ein Regentropfen direkt auf sie rauf. „Au, au, au.“ jammerte Tüpfelchen. Das hat richtig weh getan. Tüpfelchen weinte. Jetzt mussten die Anderen ohne sie den Wettbewerb gewinnen. Als es aufgehört hatte zu regnen, krabbelte sie am Blatt entlang, um sich eine Stelle zu suchen, an der sie schnell trocknen würde. Sie ordnete ihre Flügel und breitete sie aus. Doch irgendwie –‚Au!‘ ging das nicht so gut. Als sie gerade darüber nachdachte, woran es denn liegen könnte, hörte sie ein „flap flap“ und der gemeine Kurt landete neben ihr. ‚Na toll!‘ dachte sie ‚Ausgerechnet der gemeine Kurt erfährt als Erster, dass ich mich habe nassregnen lassen.‘ Er würde sie auslachen und allen von ihrem Missgeschick erzählen. „Tüpfelchen, wo bleibst du?“ fragte der gemeine Kurt und klappte aufgeregt seine rotbraunen Flügel auf und zu. Kleinlaut gab sie zu „Ich bin nass geworden.“ und kaum hörbar flüsterte sie „und jetzt kann ich einen Flügel nicht richtig ausbreiten.“ „Lass‘ mal sehen.“ sagte er und da stand er schon hinter ihr. „Oh weh Tüpfelchen, dein linker Flügel ist gebrochen. Du musst zu Doktor Hüpfer. Ich hol‘ ihn.“ Ehe sie widersprechen konnte, flatterte er davon. ‚Der gemeine Kurt will Dr. Hüpfer holen?‘ wunderte sich Tüpfelchen. Da hörte sie wieder das „Flap flap“ vom gemeinen Kurt und dahinter das „Hops hops“ von Dr. Hüpfer. Der Doktor untersuchte lange ihren Flügel und stellte dann die befürchtete Diagnose „Flügelbruch!“ Er nickte ernst „Das muss geschient werden. Tut auch ein bisschen weh.“ Das klang gar nicht gut. Ängstlich schaute Tüpfelchen zum gemeinen Kurt. Der lächelte aufmunternd „Halte dich an mir fest, dann tut es nicht mehr so weh.“ So machten sie es. Dr. Hüpfer band mit einem kleinen Grashalm den Flügel fest zusammen und Tüpfelchen hielt sich ganz doll am gemeinen Kurt fest. Als Dr. Hüpfer weitergehopst war, fragte Tüpfelchen „Kurt, warum nennt man dich den gemeinen Kurt?“ Jetzt war der gemeine Kurt kaum zu hören „Weil ich mal die Bibi vom Ast geschubst habe.“ „Das war wirklich gemein.“ meinte sie. „Aber Tüpfelchen“ er weinte fast „da war ich noch eine Raupe. Eine kleine hässliche Raupe.“ Sie überlegte. Als Larve hatte sie sich einmal vorgedrängelt, weil sie unbedingt die Blattlaus, die direkt vor ihr war, haben wollte. Keiner nannte sie deshalb bis heute das gemeine Tüpfelchen. Sie lächelte „Dann sollst du ab heute der liebe Kurt sein.“ Kurt nickte erleichtert.
Dann fiel Tüpfelchen etwas ein. „Musst du nicht weg? Der Wettbewerb hat doch längst angefangen.“ Doch der liebe Kurt schüttelte den Kopf. Er wolle sie nicht alleine lassen. Schließlich könne er auch nächstes Jahr wieder zusehen. Tüpfelchen und der liebe Kurt redeten und spielten noch lange. Abends verabschiedete sich der liebe Kurt von ihr und versprach, sie morgen besuchen zu kommen.
Am nächsten Tag kamen erst einmal alle Freunde vorbei und fragten, warum sie gestern nicht mitgeflogen sei. Jedem musste Tüpfelchen berichten, wie sie sich den Flügel gebrochen hatte. Sie erzählte auch, wie der Kurt ihr geholfen hatte. Als sie dann noch sagte, dass der gemeine Kurt jetzt der liebe Kurt ist, stimmten ihr alle zu. Am Nachmittag kam der liebe Kurt vorbei und wieder redeten und spielten sie lange.
So ging es mehrere Tage. Ihre Freunde und der liebe Kurt besuchten sie und so merkte sie gar nicht, wie die Tage vergingen. Doch dann kamen immer weniger zu Besuch und Tüpfelchen fing an, sich zu langweilen. Sie setzte sich und sah den Anderen beim Fliegen zu. „Flap flap“ flatterten die Schmetterlinge, „brum sums“ machte die Hummel und „brrs brrs“ der Maikäfer. Selbst der gefährliche Spatz flog weit oben über sie hinweg und tschilpte dabei. Alle, aber wirklich alle schienen fliegen zu können, nur sie nicht. Das machte Tüpfelchen traurig und sie fing an zu weinen.
„Nanu“ sagte jemand hinter ihr „möchtest du etwa Regenwolke spielen?“ Sie drehte sich erstaunt um. Auf leiser Spur war Theresa, die Schnecke herangekrochen. Tüpfelchen schüttelte mit dem Kopf „Nein. Ich bin nur so traurig, weil ich nicht fliegen kann.“ „Das kann ich auch nicht.“ erwiderte Theresa. „Ja, aber du bist -“ sie biss sich auf die Zunge. „Ich bin was?“ fragte Theresa neugierig. „Na ja, eine Schnecke. Die fliegt nicht.“ antwortete Tüpfelchen und zog schnell den Kopf ein. ‚Jetzt wird Theresa schimpfen.‘ dachte sie. Doch diese lachte nur gelassen. „Das wäre lustig. An meinem Häuschen noch Flügel dran.“ kicherte sie. Da musste auch Tüpfelchen lachen. Theresa und Tüpfelchen saßen den ganzen Tag zusammen. Theresa wusste Vieles zu erzählen. „Woher weißt du das alles?“ staunte sie. „Vom Langsam sein.“ antwortete Theresa. „Vom Langsam sein?“ wiederholte Tüpfelchen. Theresa erklärte ihr, dass sie durch das langsame Kriechen viele Dinge genau beobachten könne. Dadurch sähe sie auch, wie sich etwas verändert, wie es wächst. „Flap, flap“ machte es und der liebe Kurt landete neben ihnen. „Ach schau an.“ begrüßte ihn Theresa „was doch aus der kleinen Raupe geworden ist.“ Der liebe Kurt wurde puterrot. „Ein besonders hübscher Schmetterling.“ ergänzte sie. Tüpfelchen sah Theresa verwundert an. „Hast du denn noch nie seine Flügel gesehen?“ fragte Theresa „Doch“ nickte Tüpfelchen „Seine rotbraunen Flügel sehe ich doch immer.“ „Rotbraun?“ wunderte sich Theresa. Dann wandte sie sich dem lieben Kurt zu. „Komm, sei so nett und zeige uns deine Flügel. Doch der liebe Kurt wollte das nicht. „Sie sind so hässlich. Was soll auch aus einer hässlichen Raupe werden?“ Mit viel gutem Zureden gelang es Theresa schließlich, dass er seine Flügel öffnete. Tüpfelchen blieb der Mund offen stehen vor Staunen. „Kurt“ stammelte sie „Weißt du eigentlich, wie schön du bist?“ „Deine Flügel sind samtbraun mit orangen Streifen. An den Seiten sind weiße Punkte und unten hast du einen hellblauen Fleck.“ Kurt winkte ab. „Nein, es ist wahr!“ beharrte Tüpfelchen. „Wenn du dich selbst sehen könntest, dann würdest du nie mehr sagen, dass du hässlich bist.“ Da fing Kurt an zu weinen. „Aber ich bin hässlich. Alle haben zu mir gesagt, dass ich hässlich bin. Und wenn sie es…“ „Die Anderen sagen es, weil sie nicht sehen, was wir jetzt sehen.“ fiel ihm Tüpfelchen ins Wort. „Zeige ihnen doch deine hübschen Flügel, dann werden sie dich nicht mehr hässlich finden.“ „Das solltest du wirklich tun!“ mischte sich jetzt Theresa ein. „Aber wie?“ überlegte Tüpfelchen. Lange dachten sie darüber nach, wie sie das anstellen könnten. Da hatte Tüpfelchen eine Idee „Wir machen eine Party und laden alle ein. Dann werden Kurt und ich zusammen tanzen und zum Schluss wird Kurt seine Flügel öffnen.“ Der liebe Kurt zögerte noch eine Weile, dann stimmte er zu. So war es beschlossen: Gleich am nächsten Nachmittag würde der liebe Kurt mit Tüpfelchen tanzen üben.
So kam es, dass Tüpfelchen die nächsten Tage viel zu tun hatte: Vormittags lernte sie von Theresa das Langsam sein und nachmittags brachte sie dem lieben Kurt das Tanzen bei. Das war nicht immer einfach, besonders dann, wenn der liebe Kurt ihr mal wieder auf die Füße getreten war. Doch weil sie wusste, dass Theresa viel Geduld mit ihr hat, gab sie sich große Mühe ihm auch eine gute Lehrerin zu sein. Eines Tages klappte es. Der liebe Kurt tanzte jeden Schritt ohne zu stolpern und öffnete zum Schluss seine wunderschönen Flügel. „Perfekt!“ jubelte Tüpfelchen. „Morgen laden wir alle ein und dann werden wir tanzen.“
Am nächsten Tag hatten die drei viel zu tun. Der liebe Kurt flog los, um alle einzuladen, während Tüpfelchen und Theresa den kleinen Sandplatz aufräumten und weiche Blätter hinlegten.
Nach und nach kamen alle Gäste an. Sogar von der Nachbarwiese krabbelten einige Käfer herbei.
Als sie sich alle auf die weichen Blätter gesetzt haben, stellten sich Tüpfelchen und der liebe Kurt in der Mitte auf. Was waren sie beide aufgeregt! Tüpfelchen nickte dem lieben Kurt aufmunternd zu und dann begannen sie zu tanzen. Tüpfelchen merkte, wie sich ihre Aufregung legte und es begann ihr richtig Spaß zu machen. Jeder Schritt stimmte. Dann kam der Abschluss. Der liebe Kurt blieb stehen und breitete weit seine Flügel aus. Tüpfelchen schielte zu den Gästen. Keiner sagte etwas. Doch dann klatschten alle begeistert in die Hände. Sie standen von den weichen Blättern auf und umringten den lieben Kurt. „Kurt, Kurt“ riefen sie „Wir wussten gar nicht, wie schön du bist!“ und „Darf ich mal sehen?“ und „Bittet, bitte, zeige sie uns noch einmal!“ Alle waren sich einig, dass der liebe Kurt ein wunderschöner Schmetterling ist.
Tüpfelchen stand daneben und freute sich. „Das hast du sehr gut gemacht!“ sagte eine leise Stimme zu ihr. Sie drehte sich um. Theresa sah sie liebevoll an. „Danke.“ freute sich Tüpfelchen. „Jetzt ist alles gut.“ Theresa nickte. An diesem Abend schlief Tüpfelchen glücklich ein.
Der liebe Kurt weckte sie am nächsten Morgen „Aufstehen Tüpfelchen! Doktor Hüpfer ist hier“ „Doktor Hüpfer?“ fragte sie verschlafen. „Ja, Doktor Hüpfer.“ Der liebe Kurt flatterte ganz aufgeregt um sie herum. „Deine Schiene kommt doch heute ab.“ Ach ja! Vor lauter tanzen üben hatte sie ihren gebrochenen Flügel ganz vergessen. Doktor Hüpfer band den Grashalm ab und bat sie, den Flügel zu bewegen. Sie probierte es vorsichtig. Es tat nicht weh! Dann versuchte sie ein wenig zu flattern. Auch das klappte. Nun hielt sie nichts mehr. Sie hob ab und flog eine große Runde über die beiden hinweg. „Oh wie schön. Ich kann wieder fliegen.“ jubelte sie. Lachend landete sie neben dem lieben Kurt. Der freute sich mit ihr und auch Doktor Hüpfer nickte froh.
Tüpfelchen, der liebe Kurt und die anderen Käfer und Schmetterlinge verbrachten den restlichen Sommer gemeinsam. Sie spielten und flogen und – das war nun sehr beliebt – sie tanzten miteinander.
Wenn Tüpfelchen später ihren Kindern von früher erzählte, sagte sie immer, dass der Sommer, in dem sie sich den Flügel gebrochen hatte, der schönste gewesen wäre.

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2 Antworten zu „Wie Tüpfelchen wieder gesund wurde”.
Eine wirklich schöne Geschichte! Ich freue mich, dass ich es geschafft habe, nicht erwachsen zu werden… 😎
Danke. Das ist auch nicht einfach heutzutage, Kind zu bleiben.