
Nach dem Gottesdienst wird seit etlichen Wochen draußen gesungen. So auch jetzt in der Adventszeit. Das bekannte Lied „Tochter Zion, freue dich!“ gehört unbedingt dazu. Es kann nicht laut und nicht lang genug sein!
Während ich also kräftig mitsinge, fällt mir etwas auf: Moment mal, was singst du da? „Tochter Zion …“ Hast du schon mal darüber nachgedacht, was das heißt? Na ja, Jerusalem. Ja, aber Tochter! Hier wird eine Eltern-Kind-Beziehung beschrieben. Gott sieht sein Volk als Tochter an. In welcher Religion gibt es das noch, dass ein Gott seine Gläubigen als Tochter, als Kind anspricht? Ich gehe schnell, die mir bekannten alten und modernen Religionen durch: Die alten Ägypter? Fehlanzeige! Die alten Römer? Nope! Die alten Griechen? Nein! Buddhismus? Kopfschütteln. Hinduismus? Nö! Islam? Nicht, dass ich wüsste!
Ich staune. Auch wenn sich das „Tochter Zion“ zunächst auf Jerusalem bezieht, kann es doch auf jeden persönlich übertragen werden! Tochter! Sohn!
Einer der Verse, in denen die Tochter Zion erwähnt wird, ist Jesaja 62, 11: „Siehe, der Herr lässt es hören bis an die Enden der Erde: Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein Heil kommt! Siehe, was er gewann, ist bei ihm, und was er sich erwarb, geht vor ihm her!“
Es gibt nicht nur Verse, die das Tochter-sein betonen. Gott möchte sich selbst als Vater und Mutter verstanden wissen: In Jesaja 66,13 heißt es „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet;…“ oder in Jesaja 49, 15 „Kann auch eine Frau ihr Kindlein vergessen, dass sie sich nicht erbarmt über ihren leiblichen Sohn? Selbst wenn sie ihn vergessen sollte – ich will dich nicht vergessen.“
Die bekannteste Stelle im Neuen Testament, in der die Eltern-Kind-Beziehung angesprochen wird, ist das VaterUnser z. B. in Lukas 11,2-4.
Was für ein Vorrecht!
Während meiner Ausbildung wohnte ich noch bei meinen Eltern. Einmal haben sie Gäste eingeladen. Als ich vom Spätdienst kam, standen einige von ihnen im Flur. Einer fragte neugierig „Und wer sind Sie?“. Ein anderer Gast kannte mich und sagte „Die Tochter des Hauses!“ Das tat richtig gut. Ich gehörte dazu, obwohl ich keine Einladung hatte. Ich kannte mich im Haus aus, durfte ungefragt an den Kühlschrank und hatte mein eigenes Zimmer.
Wie kann das sein? Wieso möchte der Gott der Christen, dass wir seine Töchter und Söhne sind? Haben wir nicht zitternd auf Knien zu hocken mit schamroten Gesicht? Das genau ist Gnade! Gott kam in diese Welt, wurde Mensch und nahm unsere Schuld, alles, was uns von ihm trennt, auf sich. Wenn wir das Angebot annehmen, dürfen wir vor ihm kommen. Dann sind wir Tochter / Sohn des Hauses.
Mit unserer Bedürftigkeit, unserer Hilfslosigkeit gehören wir zu Gott.
Das ist Weihnachten: Weil Gott Sohn wurde, kann er uns Vater sein!
Das ist einer der Momente, in denen ich sprachlos staunend vor meinem Gott stehe.
Deswegen heute kein „Amen!“, sondern nur ein einfaches „Wow!“
2 Antworten zu „Tochter Zion!”.
Tochter Zion ist eines meiner absoluten Lieblingslieder. Gefragt habe ich mich schon oft, wer denn eigentlich diese Tochter sei… Dank Dir konnte ich mein Wissen erweitern. Danke!
Ich wünsche Dir eine gesegnete und friedliche Adventszeit!
Herzliche Grüße,
Werner
Danke. Dir auch friedliche Weihnachten!