
Vor ein paar Tagen habe ich einer Freundin beim Umzug geholfen. Um es kurz zu machen: Es war der chaotischste Umzug, bei dem ich dabei war. Keine ordentliche Sackkarre, keine Spanngurte, Transporter zuerst mit Kartons und Kleinkram beladen, die schweren Sachen standen noch draußen, halboffene Bananenkisten…
Die Freundin hatte keine Erfahrung beim Umziehen. Sie hat aber auch keinen um Tipps gebeten. Als sie mit mir über den Umzug sprach, kam nur der Satz „Ich krieg‘ das hin!“
Ein Verwandter hat ein Haus gekauft. Später stellte sich heraus, dass er zuviel bezahlt hat. Er hat keinen vorher um Rat gefragt.
Eine Bekannte erzählt mir so nebenbei, dass sie sich hat scheiden lassen. Jetzt fühlt sie sich überfordert und die Kinder leiden unter der Scheidung. Als ich sie frage, warum sie das nicht früher erzählt hat, ich hätte ihr zumindest zuhören können, erwiderte sie „Ich wollte mir nicht reinreden lassen!
Auch ich musste mich schon manches Mal fragen lassen „Warum hast du nicht gefragt?“
Es scheint in uns Menschen tief verwurzelt zu sein, dieses „Ich will es alleine machen!“ Kleine Kinder wollen all‘ das, was sie schon können, alleine machen. „Ich kann das schon!“ heißt es dann stolz. Alte Menschen, die pflegebedürftig sind, möchten auch, so viel wie möglich, noch alleine machen. „Ich kann das noch!“ heißt es, wenn man helfen möchte.
Woher kommt es, dass wir denken, wir müssen etwas alleine schaffen? Wieso fällt es uns so schwer um Hilfe zu bitten bzw. diese anzunehmen?
Es ist der Stolz. In unserer Gesellschaft ist das Leistungsprinzip verankert: „Spare, lerne, leiste was, dann haste, kannste, biste was!“ Danach ist jemand nur etwas wert, wenn er selbstständig agiert. Keiner möchte von der Hilfe anderer abhängig sein.
Menschen, die ständig auf Hilfe angewiesen sind, werden bis heute nicht als ebenbürtig, als nicht wertvoll angesehen. (Menschen, die professionell helfen, werden zwar als systemrelevant beklatscht, aber schlecht bezahlt. „Helfen“ ist keine messbare Leistung und nur Leistung zählt!)
Wir sind dermaßen von unserer Selbstwirksamkeit, also das Vertrauen in die eigene Kompetenz, selbst in schwierigen Situationen, überzeugt, dass wir Nachteile, wie z. B. einen zu hohen Kaufpreis hinnehmen.
Es ist kein Wunder, dass unsere Gesellschaft immer gottloser wird. Denn wer alles alleine kann, braucht keinen Gott.
Ich brauche Gott! Mir ist bewusst, dass er einen hohen Anspruch an mich stellt. Er sagt: „Wer mir folgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich täglich und folge mir nach“ (Lukas 9, 23) Das schaffe ich nicht! Mich selbst verleugnen, den anderen höher schätzen, als mich selbst, meine Feinde lieben – nein, das kriege ich nicht hin! Da brauche ich Gottes Hilfe für. Diese Hilfe ist mir gewiss. Ich muss „nur“ meinen Stolz überwinden. Aber wenn ich das geschafft habe, dann kann ich mit dem Psalmdichter sagen „Meine Hilfe kommt von dem Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.“ (Psalm 121, 2)
Amen.
2 Antworten zu „„Ich krieg‘ das hin!“”.
Nun gibt es auch die umgekehrte falsche Haltung: Ständig „Ich kann das nicht“ jammern. Auch wenn man bloß meint „Ich habe darin keine Erfahrung, kann das nicht so gut, so schnell, so mühelos wie ein anderer“. Oder schlicht „Ich bin zu bequem dazu“.
Da heißts: den Mittelweg finden. Was manchmal schwer ist.
Das denke ich auch! Anscheinend fällt es uns Menschen schwer, die Balance zu halten. Das zeigt ja gerade, wie sehr wir Gottes Gnade brauchen.