Als ich mich zu Weihnachten mit Maria beschäftigte, bin ich über etwas gestolpert, dessen Tragweite mir heute erst bewusst wird.
Weil es mich interessierte, wie es denn nun genau war mit Maria und warum sie nicht wegen vermeintlichen Ehebruchs gesteinigt wurde, fand ich mich plötzlich in Rechtskunde im Alten Israel wieder. Ein Nebensatz machte mich neugierig. Da wurde darauf hingewiesen, dass ein Bastard ein Kind ist, dessen Vater unbekannt ist. Deswegen durfte solch ein Kind im Alten Israel nicht heiraten. Laut einer Webseite über jüdisches Recht (http://juedisches-recht.org/mc-famil-r-mamser.htm) bezieht sich 5. Mose 23, 3 „In die Versammlung des Herrn darf kein Bastard aufgenommen werden, auch in der zehnten Generation dürfen seine Nachkommen nicht in die Versammlung des Herrn aufgenommen werden.“ darauf, dass kein Bastard einen Juden heiraten darf. Laut dieser Webseite darf er auch nicht einen anderen Bastard heiraten.
Im Alten Israel wurden zudem unverheiratete Männer skeptisch angesehen. In Sirach 26, 31 heißt es „ Wie man einem bewaffneten Räuber nicht traut, der von einer Stadt in die andre schleicht, so traut man auch nicht einem Mann, der kein Heim hat und dort bleiben muss, wo er am Abend hinkommt.“
D. h. wenn ich richtig schlussfolgere, war die Ehelosigkeit Jesu nicht von ihm freiwillig gewählt, sondern entsprach jüdischem Recht. Denn aus der Sicht der damaligen Rabbiner war der Vater von Jesus nicht bekannt. Er wurde dazu noch skeptisch angesehen. Dann wirkt plötzlich der Satz „Die Füchse haben Höhlen und die Vögel ihre Nester, der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann.“ (Lukas 9, 58) als Hinweis auf seinen Makel, also die Ehelosigkeit, weil er ein Bastard ist. Es ist, als wolle er damit sagen, dass er nicht hoch angesehen ist und deshalb solle sich der andere gut überlegen, ob er ihm folgen möchte.
Dann bekommt seine Aussage „Manche sind von Geburt an zur Ehe unfähig, manche sind von den Menschen dazu gemacht, und manche haben sich selbst dazu gemacht – um des Himmelreiches willen. Wer das erfassen kann, der erfasse es.“ noch eine andere Brisanz. Jesus wurde von Menschen unfähig zur Ehe erklärt. Er hat sich bestehenden Gesetzen untergeordnet. Das ist auch eine Form von Demut.
Oft wird gepredigt, dass Jesus sich dem Menschen gleich machte. Er hat allen Schmerz und Kummer gekannt und hat ziemlich alle Facetten des menschlichen Lebens mitgemacht, bis auf eine: Er hatte keine Partnerin und keine Nachkommen. Er weiß nicht aus persönlicher Erfahrung wie es ist, abends nach Hause zu kommen, von einer lieben Frau empfangen zu werden, mit ihr und den Kids gemeinsam Abendbrot zu essen, sich anzuhören, dass eins von ihnen Nachbars Fenster eingeschmissen hat und das andere für aufmerksames Zuhören in der Thoraschule gelobt wurde.
Auch wenn es sinnvoll klingt und es sicher auch theologisch schwierig geworden wäre, wenn Jesus Nachkommen gehabt hätte, es ist ein Mangel, etwas, was er entbehrt hat. Vielleicht hat er in der Wüste u. a. darüber getrauert und sich dazu durchgerungen, auch an diesem Punkt sich seinem Vater und den Menschen unterzuordnen.
Es ist ein Mangel, den man nicht mal eben rational annehmen kann. Das weiß ich aus persönlicher Erfahrung. Auch das skeptisch angeschaut werden, weil man unverheiratet ist, kenne ich nur zu gut. In freien Gemeinden schlug mir als Single oft eine merkwürdige Mischung aus Ablehnung und Mitleid entgegen. Single-Sein gehört nicht zum Konzept von vielen Freikirchen. Single ist man bloß vorübergehend, es ist eine „Unpässlichkeit“. Die Großstadt, in der ich wohne, ist Single-Hochburg. Trotzdem reden viele freikirchliche Pastoren davon, dass „Kinder, die Zukunft der Gemeinde“ sind. In den Gemeinden gibt es häufig alle möglichen Gruppen: Pfadfinder, Hausaufgabenbetreuung, Mutter-Kind-Gruppen, Seniorenarbeit, aber oft genug keine Single-Gruppe. Unglaublich, wie ich da ausgegrenzt werde!
In der Gesellschaft ist es nicht besser. Im Restaurant bekomme ich den Katzentisch, weil die guten Tische den Paaren und Familien vorbehalten sind. Es gibt Paar-Rabatt und Familien- Arrangements, aber Singles dürfen den Einzelzimmerzuschlag zahlen.
Wie tröstlich ist es da zu wissen, dass Jesus auch Single war. Er weiß, wie es sich anfühlt, mit einem Makel behaftet zu sein. Zum Schluss wurde er nicht nur deswegen ausgegrenzt. Er ist diesen Weg bis zum Ende am Kreuz demütig gegangen. Nicht einmal hat er auf eine Sonderregelung bestanden. Gott hätte eine Lösung gefunden, um den Makel, dass er ein Bastard war, aufzulösen. Doch Jesus fügte sich darein.
Trotz dieses Makels folgten ihm die Menschen nach. Zumindest bis kurz vor dem Pessach war er ein vielgefragter Mann. Er muss eine positive Ausstrahlung gehabt haben.
Für mich lerne ich daraus, meine äußeren Umstände demütig anzunehmen und dass mein Makel, unverheiratet zu sein, bei Gott nicht zählt. Ich gehöre dazu, darf dabei sein. Alle meine Makel werden von Ihm in Makellosigkeit verwandelt.
Amen.