
Je länger der Shutdown dauert, umso schwieriger wird es für mich. Die Lockerungen helfen mir nicht viel. Gestern hat die letzte Schule abgesagt: dieses Schuljahr gibt es keine Kurse mehr! Auch die Chorproben finden noch nicht statt. Was soll ich also in der Großstadt, in der es nichts zu tun für mich gibt? Dann doch lieber die beschauliche Kleinstadt direkt am See, in deren Umgebung eins im Übermaß gibt: Landschaft! Weite Felder, Kiefernhaine, Seen bis zum Abwinken. Im kleinen Schlosspark wachsen wilde Orchideen. Blühen da einfach vor sich hin. Während ich sie fotografiere, ploppte eine Liedzeile in mir hoch „ Wie die zarten Blumen willig sich entfalten und der Sonne stille halten…“ (Gerhard Tersteegen)
Der Sonne stille halten… – das klingt ein wenig unbequem, lästig. „Halt doch mal still!“ – Man hört förmlich die Ungeduld in der Stimme einer Mutter, die gerade versucht, dem Kind die Nase zu putzen. Das Kind will aber weiter rumtoben. Die laufende Nase ist ihm egal. Dabei geht es nur um einen kurzen Augenblick.
Doch vielleicht ist es genau die richtige Zeit dafür: Gott still zu halten. In der Zeit, in der es nicht viel Ablenkung gibt, kann man auch inne halten und über ihn und den Glauben nachdenken. Eigene Glaubensbilder hinterfragen und auch mal liebgewonnene Interpretationen von Bibeltexten über Bord werfen und nach neuen suchen. Auch mal sich hinsetzen, sich selbst reflektieren.
Es geht nicht darum, sich selbst ein schlechtes Zeugnis auszustellen. Im Liedvers ist von Sonne die Rede und nicht von Sturm und Hagel.
Wenn Gott mich korrigiert, mir aufzeigt, was ich noch nicht kann z. B. in welchen Situationen ich nicht geduldig mit meinem Gegenüber war, dann ist es ein liebevoller Hinweis. Er liebte mich doch schon bevor, mir mein Fehlverhalten bewusst wurde.
Die Mutter, die dem Kind die Nase putzt, liebt ihr Kind auch mit „Schnoddernase“, aber mit geputzter Nase tobt es sich besser.
Ich weiß nicht, wie lange der Shutdown noch geht, aber ich bin mir sicher, dass diese Zeit im Vergleich zur Ewigkeit nur ein kurzer Augenblick ist.
So kann ich dann doch Gott still halten. Mich durch seine liebende Hand in sein Bild formen lassen. Dem Gott, der mich liebt, kann ich singen „ …lass mich so/ still und froh/ deine Strahlen fassen und dich wirken lassen.“ (ebenda)
Gott wirken lassen, es ihm überlassen. Plötzlich ist diese Zeit keine vertane Zeit, sondern aktive Wirkzeit. Denn ohne „Schnoddernase“ tobt es sich besser.