Zwei Verse davor heißt es „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, so will ich euch erquicken!“ (Matth. 11, 28)
Dieser Vers wird sehr oft zitiert, aber der Vers, den ich als Überschrift gewählt habe, wird selten erwähnt. Dabei scheinen sie zusammen zu gehören. Glaube ist kein Stollen, aus dem man sich die Rosinen rauspickt.
Hier mal alle drei Verse im Zusammenhang: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, so will ich euch erquicken! Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen! Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.“ (Matth. 11, 28-30)
Das klingt wie ein Widerspruch in sich. Erst sollen wir zu Jesus kommen, wenn wir beladen sind und dann sollen wir sein Joch, also das Traggeschirr mit dem Ochsen in den Pflug gespannt wurden, aufnehmen.
Beim genauen Lesen merke ich, dass hier auch vom Lernen die Rede ist. Ich soll von Jesus lernen. Er ist sanftmütig und demütig.
Was heißt eigentlich sanftmütig und demütig? Sanftmut wird mit Friedfertigkeit und Herzensgüte übersetzt. Ein unmodernes Wort wird mit zwei weiteren unmodernen übersetzt. Heutzutage ist es anscheinend kaum erstrebenswert gütig zu sein. Bei Demut komme ich auch nicht weiter. Demütig, im Sinne von gehorsam gehört nicht zum üblichen Vokabular. Der Thesaurus schlägt noch „gelassen“ vor. So komme ich diesem Vers langsam auf die Spur.
Wenn ich mich Gott unterordne, in dem Sinne, dass ich ihm zugestehe, dass er größer ist als ich, werde ich ruhig. Wenn ich jemanden gegenüber sanftmütig bin, indem ich auf die kleinen Kämpfe, auf das Recht haben wollen, verzichte, werde ich ruhig. Ich höre auf mich zu sorgen, weil ich weiß, dass Gott für mich sorgt.
Ich rede hier nicht davon, dass man keine Grenzen setzen sollte. Ich muss mich abgrenzen. Aber diese täglichen kleinen Kämpfe wie dafür sorgen, dass der Andere sich nicht vordrängeln kann, bringen doch nichts.
Doch warum ein Joch? Bin ich ein Ochse? Habe ich es nötig, mich einspannen zu lassen?
Im Moment habe ich keine Einnahmen. Mein Job ist nicht systemrelevant. Das klingt, je nach Tageslaune, harmlos oder grausam. Nicht relevant! Werde ich gar nicht gebraucht? Der Mensch möchte was tun. Er möchte gebraucht werden.
Auch als Christ möchte ich etwas tun. Für den Herrn. Nicht, um mir meine Erlösung zu verdienen, sondern aus Dankbarkeit für meine Erlösung. So lasse ich mich in sein Joch spannen.
Gott bietet weitaus mehr als Erlösung an. Ich darf mit meinen Sorgen, mit meinen Lasten zu ihm kommen. Ich kann es lernen, innerlich ruhig zu bleiben und all das, was ich nicht in der Hand habe, Gott zu überlassen. Dadurch kann ich zur Ruhe kommen. Ich darf sogar etwas für ihn tun und erlebe damit, dass ich gebraucht werde.
Was kümmert es mich da, dass die Begriffe „Sanftmut“ und „Demut“ aus der Zeit gefallen sind? Möchte ich wirklich mit der Mode gehen?
Mir fällt dazu passend mein Lieblingsvers, dessen Verfasser, mir nicht bekannt ist, ein: „Am Ende bleibst nur du und alles Sein wird Gnade! Und tausend Kreuzespfade führ’n deinem Kreuze zu. Am Ende bleibst nur du. Bringst unter Vaterhänden, die liebend uns vollenden, das wirre Herz zur Ruh‘!“
Amen.