„Biet ihm ein Heißgetränk an, Shelly!“ – Leid(t)faden für ungeplante Seelsorgegespräche

Wer kennt es nicht? Da steht man nach dem Gottesdienst gemütlich beisammen und fragt ahnungslos sein Gegenüber, wie es ihm geht und der bricht in Tränen aus. Jetzt ist guter Rat teuer. Aus eigener Erfahrung habe ich hier einen kleinen Leid(t)faden für akute Seelsorge zusammengestellt. Ich habe mit Absicht „Leitfaden“ mit d geschrieben. Ich habe selbst schon oft genug an schlechter Seelsorge gelitten. Deswegen fange ich mit den typischen Fehlern an:

  1. Vergib ihm/ihr! – Dieser Satz ist richtig und auch biblisch, doch es ist oft die falsche Situation, in der er fällt! Oft genug habe ich es erlebt, dass wohlmeinende Menschen diesen Satz gesagt haben, kurz nachdem der Andere von seinem Kummer erzählt hat. Menschen, die schon lange Christen sind, wissen in der Regel selbst, dass Vergebung wichtig ist. Es geht also nicht darum auswendig gelernte Ratschläge zu erzählen. Auch ist nicht jeder, der sich schwer damit tut, einem anderen zu vergeben ein trotziger, aufmüpfiger Mensch. Vergebung ist gerade bei schwerwiegendem Kummer ein Prozess! Wenn du jahrelang von einem Verwandten missbraucht wurdest oder andere schlimme Dinge erlebt hast, dann ist der Rat, demjenigen zu vergeben als erste Reaktion eine schallende Ohrfeige!
  1. Och, so schlimm ist das nicht! Auch dieser Satz ist eine schallende Ohrfeige. Wer gibt dir das Recht, Leid in Kategorien einzuteilen? Ein Armbruch ist schlimmer als nervige Kinder? Die Kündigung ist eine neue Chance? Woher willst du wissen, was für den Anderen schlimm ist? Gerade wir Deutsche tun uns oft schwer damit, unseren Kummer preis zu geben. „Was soll der Andere von uns denken!“ ist ein landläufiger Gedanke. Deswegen kann es sein, dass erst ein kleiner Kummer erzählt wird, um rauszufinden, wie der Andere damit umgeht. Wird jetzt bagatellisiert, kommt das eigentliche Problem nicht mehr zur Sprache.
  1.  Mach eine Therapie! Geh‘ zum Seelsorger! – wusch, eine dritte Ohrfeige, innerhalb weniger Minuten! Bist du ausgebildeter Therapeut? Ein geschulter Seelsorger? Nein? Warum maßt du dir dann an, ein Urteil abzugeben, ob jemand eine Therapie braucht? Bei einem nicht geplanten Seelsorgegespräch kennst du in der Regel dein Gegenüber nicht gut genug, um beurteilen zu können, ob er eine Therapie benötigt. Wenn du nur einen Moment ehrlich zu dir selbst bist, wirst du zugeben müssen, dass es deine eigene Hilfslosigkeit ist, die dich zu solchen Rat-Schlägen bringt.

Wenn du jetzt fragst, was du denn sonst tun sollst, habe ich ein paar Ideen für dich, die sich bewährt haben bei einem akuten Seelsorgegespräch.

  1. „Biet‘ ihm ein Heißgetränk an, Shelly!“ – Der erste Vorschlag stammt von der Mutter des Serienhelden aus „The Big Bang Theorie“ Dr. Sheldon Cooper. Dieser hochbegabte Mann hat im sozialen Leben erhebliche Schwächen. Deswegen gibt ihm seine Mutter den Rat, Menschen, die ihm etwas von ihrem Kummer erzählen, als erstes ein Heißgetränk anzubieten. Dieses Heißgetränk hat mehrere Funktionen: Es verschafft dir eine Atempause. Während du die Becher holst und einfüllst, kannst du selbst deine Gedanken sortieren und dir überlegen, was zu tun ist. Der Andere hat dieselbe Chance. Das Heißgetränk signalisiert zudem, dass der Bekümmerte gehört wird. Er darf erzählen. Der Andere nimmt sich Zeit für ihn. Wenn kein Kaffeeautomat o. ä. in der Nähe ist, dann versuche irgendwie anders eine angenehme Atmosphäre zu schaffen: setzt euch hin oder stellt euch zumindest in eine Ecke, in der euer Gespräch nicht unfreiwillig belauscht werden kann. Der zugige Gang neben einer Toilette ist nicht der Ort, an dem man entspannt über seinen Kummer reden kann.
  1. „Was willst du, was ich dir tun soll?“ (Lukas 18, 41) -Jesus selbst macht es uns vor. Als ein Blinder ihn ruft, fragt er ihn: Was soll ich für dich tun? Er heilt ihn nicht sofort. Der Andere darf selbst entscheiden.

So kannst auch du erst einmal nachfragen. Der Andere weiß wahrscheinlich, dass du kein Profi-Therapeut bist. Er wird nicht erwarten, dass du den perfekten Rat hast. Meist dürfte es der Wunsch sein, dass einfach mal jemand zuhört.

Beim Zuhören solltest du unbedingt beachten, dass du zuhörst! Nein, du daddelst nicht auf deinem Handy rum oder gehst in Gedanken die nächste Woche durch! Du hörst zu!

Vielleicht fragst du noch nach, weil du einen Zusammenhang nicht verstanden hast. Wichtig ist auch, dass du zunächst alles, was der andere dir erzählt, als wahr annimmst. Du hinterfragst nicht dessen Perspektive. Erkenn‘ das Leid des Anderen an! Verurteile ihn nicht oder hinterfrage seine Handlungen! Du weißt nicht, was du getan hättest, weil du nicht in seiner Situation bist oder warst!

  1. Gebet geht immer! – Wenn du nicht weißt, was zu tun ist, kannst du innerlich beten „Herr, schenke mir Weisheit!“ Wenn dein Gegenüber selbst nicht weiß, was er möchte, was ihm helfen könnte, dann frage ihn, ob du für ihn beten kannst. Bitte denke daran, denjenigen vorher zu fragen, ob du ihn dabei anfassen darfst. Manche mögen eine fremde Hand auf der Schulter nicht. Gebet schafft oft eine andere Atmosphäre. Die gefühlte Hilfslosigkeit findet im Gebet ihr Ende. Auch kann es ein guter Abschluss des Gespräches sein.

So in etwa könnte ein ungeplantes Seelsorgegespräch ablaufen. Es braucht oft wenig und kann doch viel bewirken. Bei der beschriebenen Situation wird kaum einer erwarten, dass du die Lösung hast. Also hör zu und bete mit ihm. Kaffee?

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