Wie viele Predigten zu dieser Bibelstelle habe ich bereits gehört. Oft genug war nur von dem Vertrauen von Kindern die Rede, untermalt von einem oft kitschigen Bild von einer großen Hand, die eine kleine Patschhand hält. Die einzige Herausforderung bei dieser Art von Predigt ist, rechtzeitig beim abschließendem „Amen“ wieder wach zu sein.
Dabei steckt in diesem Satz viel mehr:
1. Kinder vergeben! – Das erstaunt mich immer wieder! Da habe ich eben mit meinen Nachmittagskindern geschimpft und auch die angesagten Konsequenzen umgesetzt und eine kurze Zeit später kommt eins der Kinder und umarmt mich. Oder es wird mir was geschenkt, eine Kastanie oder ein schöner runder Stein, irgendetwas, was dem Kind selbst lieb ist.
Kinder vergeben! Ganz unkompliziert und ohne „klärendes Gespräch“. Einfach so! – Wie oft habe ich es dagegen erlebt, dass bei Erwachsenen erst einmal „Funkstille“ herrscht oder ich mich mehrmals entschuldigen musste, bevor wieder „alles gut“ ist. (Das mehrmals entschuldigen gewöhne ich mir gerade ab.) – Werdet wie die Kinder!
2. Kinder erwarten Vergebung! – „Das haben wir doch schon besprochen!“ erinnert mich Jonas, weil er denkt, dass er ein zweites Mal angezählt wird. Ich konnte ihn beruhigen, dass ich nicht von seinem Fehlverhalten berichte. Aber er hätte Recht gehabt! Das war besprochen und ich habe seine Entschuldigung angenommen. Da darf er erwarten, dass nicht mehr darüber gesprochen wird. Wie schwer tun wir uns manchmal damit, Vergebung anzunehmen oder uns selbst zu vergeben. Wenn es uns schwer fällt, uns selbst zu vergeben, dann stellen wir uns damit unbewusst über Gott. Er hat uns vergeben, sind wir also größer als Gott, dass wir seinen Freispruch wieder aufheben können? – Werdet wie die Kinder!
3. Kinder fordern Hilfe ein! – „Ulrike, kannst du mir die Zacken schneiden?“ „Meine auch!“ „Ich brauche auch Hilfe!“ – so tönt es von allen Seiten, wenn ich eine schwierige Bastelarbeit mitgebracht habe. Je mehr Zeit vergeht, um so dringlicher werden die Anfragen. Schnell wird das „bitte“ vergessen. Kinder wissen, dass sie nicht alles können und fordern ganz selbstverständlich Hilfe ein. Wie oft habe ich mich selbst erwischt, wie ich versucht habe, ein Problem selbst zu lösen, statt meinen himmlischen Vater um Hilfe zu bitten. Wie oft brechen Menschen erst zusammen, bevor sie zugeben, dass sie Hilfe brauchen. – Werdet wie die Kinder!
4. Kinder sind ehrlich! – Irgendwann, als ich mal wieder schwer enttäuscht war von den Menschen, ihren Intrigen und Lügen, postete ich auf meinem Facebook- Profil „Ich liebe Kinder und Demenzkranke! Sie sind wenigstens ehrlich!“ Wenn Kinder etwas nicht toll finden, dann sagen sie es mir direkt ins Gesicht! Das ist zwar nicht nett, aber ich kann mit dieser Aussage umgehen. Besser, als mit der falschen Freundlichkeit, bei der ich genau spüre, dass sie nicht echt ist. Wenn Kinder mir ehrlich sagen, dass ihnen mein Nachmittagsprogramm nicht gefällt, dann kann ich etwas ändern oder zumindest erklären, dass ich mir etwas ausdenken werde. Die Unehrlichkeit von „höflichen“ Erwachsenen dagegen verunsichert mich. – Werdet wie die Kinder!
Die Liste ließe sich noch fortführen. Wer eigene Kinder hat, wird noch viel mehr beobachten, als ich, die ich in der Kinder- und Jugendarbeit tätig bin. Der Satz „Wenn ihr nicht werdet, wie die Kinder..,“ wird plötzlich vielschichtiger, als gedacht. Auf einmal liegt die Messlatte sehr hoch. Doch sind wir auch hier nicht allein mit unseren Bemühungen. Denn:
5. Jesus selbst wurde ein Kind! – Er hat unser Mensch-Sein erlebt, von Anfang an. Jede Hilflosigkeit, jede Ungerechtigkeit, die Kinder als unfair erleben und auch jedes Staunen und jedes kleine Glück hat er empfunden. Er weiß, wie es ist, klein zu sein. Er weiß, wie es sich anfühlt, in einer Welt, in der oft nur die Erwachsenen gesehen und respektiert werden, selbst erwachsen zu werden.
Wir können und dürfen uns Ihm anvertrauen. Wir dürfen Ihn bitten, uns zu lehren, wie wir vergeben und Vergebung annehmen können, wie wir wieder ehrlich vor uns und anderen werden und um Hilfe zu bitten, wenn wir sie brauchen. Aus dem Kind in der Krippe wurde der Mann, der am Kreuz für uns starb. Er ist derjenige, der uns helfen kann, wieder wie ein Kind zu werden. Zwar in der Verantwortung den anderen gegenüber, aber mit dem Wissen, dass wir ohne Ihn nichts sind, aber mit Ihm alles. Wie ein Kind!