Warum „geistig arm“ nicht allein selig macht – Ein Aufruf zur Aufmüpfigkeit

Mir fällt immer wieder auf, dass in Predigten / Andachten betont wird, dass der christliche Glaube für Menschen jeder Couleur ist. Jeder Bildungsstand, Status, jedes Geschlecht … jeder darf und kann an Christus glauben. Oft wird über die „geistig Armen“ gepredigt. ‚Du musst kein Philosoph sein, um an Gott glauben zu können!‘ lautet die Aussage und dann folgt ein Amen, ein paar (lieblos gesungene) Lobpreislieder und zum Schluss der Segen. Echt jetzt? Darf ich als Christ nicht meinen Verstand benutzen? Darf ich nicht über Gottes Wesen nachdenken? Was ist denn mit den Altvorderen, den Mystikern? Meister Eckhart, Jacob Böhme? Paulus, der Ex-Pharisäer? Manchen Satz in seinen Briefen muss man mehrmals lesen, um ihn zu verstehen! Hat Gott mir nicht den Verstand gegeben, um ihn zu benutzen? Darf ich nicht in die Tiefe denken und den Heiligen Geist um Erkenntnis bitten? Ich möchte in die Glaubens-Materie tief eindringen, selbst verstehen, wovon die Rede ist und ja, Dogmen in Frage stellen.
Aber enttäuscht stelle ich fest, dass christliche Mystik selten rein angeboten wird. Hatte gerade die „Gottesgeburt“ von Meister Eckhart angefangen zu lesen. Der katholische Theologe Günter Stachel hatte nichts Besseres zu tun, dessen Predigten mit Hilfe der hinduistischen Seelenlehre zu „interpretieren“. Soweit ist es also schon: wir überlassen das Feld der Meditation und Kontemplation den fernöstlichen Religionen. Obwohl diese auch im christlichen Glauben verankert waren /sind. Die Kirche (nicht nur die katholische!) hat ihren Gläubigen aus Angst vor Machtverlust das Selbst-Denken ausgetrieben! Dann wurde die Kuschel-Decke „Selig sind die geistig Armen!“ drüber gebreitet. Liebe Geschwister, lasst euch das nicht bieten! Hinterfragt wieder! Benutzt euren Verstand, den Gott euch gegeben hat!
Wenn wir nicht selbst fragen und nur noch aus zweiter Hand konsumieren – nämlich die Interpretationen der Pastoren – werden wir nicht geistig arm, sondern verdummen! Selber die Bibel lesen! Selber denken! Nicht nur Andachten lesen, sondern auch mal selbst ein vergleichendes Bibelstudium durchführen! Auch mal kritische Kommentare lesen! Was heißt den „täglich sein Kreuz auf sich nehmen“? Wie kann ich denn „Christus in mir und ich in Christus „verstehen? Kein vorgekochtes Fast-Food vom Pastor, sondern mal selbst theologische Abhandlungen lesen und dann abwägen! Seid doch mündige Kinder Gottes! In manchen Gemeinden wird gepredigt, man solle Bibelverse auswendig lernen. Sicherlich eine gute Idee. Aber mir nützt ein Bibelvers nichts, wenn ich ihn vor dem Lernen nicht ordentlich „durchgekaut“ habe!
Wenn Glaube nur noch aus den ewig-selben Worthülsen besteht, dann sage ich nicht mehr „Amen!“, sondern nur noch „Prost Mahlzeit!“

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